Um nach der Ähnlichkeitsregel das passendste Mittel auswählen zu können, ist beim Behandler ein Höchstmaß an Sorgfalt und Konzentration erforderlich. Dabei versucht er bei der Behandlung chronischer Leiden in einem meist mehrstündigen Erstgespräch den Patienten in seiner Gesamtheit und seiner individuellen Problemstellung zu erfassen, wobei die Technik der Anamnese, also die spezielle Gesprächsführung je nach Ausbildung unterschiedlich sein kann.
Aber es geht immer darum, die herausragenden, einzigartigen Symptome des Patienten herauszufinden.
Dazu ein Beispiel einer akuten Erkrankung:
Alle Familienmitglieder haben gleichzeitig einen grippalen Infekt mit Gliederschmerzen. Bei einem der Patienten wird durch Bewegung alles schlimmer und er muss ganz still liegen. Vermutlich braucht er Bryonia. Der andere spürt Erleichterung, wenn er sich bewegt (Rhus-toxicodendron) und der Dritte muss sich auch dauernd bewegen, es bringt aber keine Besserung. Das könnte ein Hinweis auf Eupatorium perfoliatum sein. Jeder benötigt also ein anderes homöopathisches Mittel, trotz derselben schulmedizinischen Diagnose.
Anhand des aufgezeichneten Erstgesprächs sucht der Homöopath nun in der Fallanalyse die herausragenden, einzigartigen Symptome und damit den roten Faden.
Um sich die Arbeit zu erleichtern wird dazu meist ein Repertorium in Buchform oder computergestützt benutzt. Man kann es mit einem Lexikon vergleichen, in dem alphabetisch nach bestimmten Kapiteln geordneten Symptomen Arzneimittel zugewiesen worden sind.
Meist stehen nach diesem Schritt mehrere Arzneimittel in etwa gleichwertig zur Wahl. Im nächsten Schritt muss nun im sogenannten Materia-Medica-Abgleich die ausführliche Beschreibung dieser Mittel mit dem Krankheitsbild des Patienten verglichen werden.
Beispielsweise kommt ein Jugendlicher mit häufigen Kopfschmerzen in der Stirn, die hauptsächlich in der Schule auftreten, wenn er sich konzentrieren soll. Er wirkt zurückhaltend und bedrückt. Die Repertorisation ergibt Ignatia und Staphisagria als in Frage kommende Mittel. Beide haben in den Prüfungen Kopfschmerzen bei geistiger Anstrengung und infolge von Kummer ergeben. In der Materia Medica wird aber bei Staphisagria beschrieben, dass der Betroffene „krank vor Zorn“ nach Hause geht, dort seine Wut heraus lässt und vor allem in seiner Ehre gekränkt ist. Ignatia-Patienten sind in diesem Fall introvertiert, mit wechselnden Launen, seufzen und schluchzen.
Der Umgang des Patienten mit dem Problem ist dann wegweisend zum Mittel.